Saarbrücken. „Das ist doch einfach eine schlimme Sache.“ Hubert Laubach schüttelt ungläubig den Kopf. Was ihn so beschäftigt, ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen nicht nur einsam leben, sondern auch einsam sterben. Was dann schlimmstenfalls dazu führt, dass diese Menschen auch von keinerlei Angehörigen, Freunden oder Bekannten auf ihrem letzten Weg begleitet werden.
Von SZ-Redakteurin Ulrike Paulmann
„Das ist doch einfach eine schlimme Sache.“ Hubert Laubach schüttelt ungläubig den Kopf. Was ihn so beschäftigt, ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen nicht nur einsam leben, sondern auch einsam sterben. Was dann schlimmstenfalls dazu führt, dass diese Menschen auch von keinerlei Angehörigen, Freunden oder Bekannten auf ihrem letzten Weg begleitet werden.Laubach weiß, wovon er spricht: Der 56-Jährige ist Geschäftsführer des alteingesessenen gleichnamigen Bestattungsunternehmens in Saarbrücken. Und immer wieder kommt es vor, dass er oder einer seiner Mitarbeiter zusammen mit dem Geistlichen, einem Organisten und vielleicht noch mit einem Friedhofsangestellten die einzigen Trauergäste bei einer Beerdigung sind. Und das, obwohl der Bestatter noch im Wohnhaus des Verstorbenen einen Trauerbrief aufgehängt hat, auf dem die Mitbewohner die traurige Nachricht und den Termin der Beerdigung erfahren haben.
Etwa 15 bis 20 Bestattungen dieser Art habe er pro Jahr, sagt er. In solchen Fällen habe sich kein „Bestattungspflichtiger“ im Umfeld des Verstorbenen gefunden, weswegen die Ortspolizeibehörde eine Bestattung angeordnet habe. Laubach: „In der Regel ist dies eine Feuerbestattung im einfachsten Grab.“
„Das kann doch nicht sein“, fanden Laubach und sein Sohn Hubert Marc. Und sie entwickelten eine Idee.
Die beiden schalteten in der SZ eine Anzeige mit dem Titel „Ehrenamtliche Trauergäste gesucht“. Hier war unter anderem zu lesen, dass diese Freiwilligen den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen und somit einen würdevollen Abschied ermöglichen sollen. Lange hatten sie am Text gefeilt, denn Vorbilder gab es keine, berichtet Laubach: „Wir sind saarlandweit die Ersten und Einzigen, die so etwas anbieten.“ Und bundesweit kenne er nur ein Vorhaben, das seinem zumindest ähnele.
Der Bestatter sagt: „Ganz ehrlich, ich hätte nicht geglaubt, dass sich jemand meldet“. Da sollte er sich täuschen. Wenig später hatte er die Adressen von sieben Interessierten, „alles gestandene Männer und Frauen“ mittleren Alters. „Sehr angenehme Menschen“ seien das. So, wie beispielsweise Werner Thau. Der 61-jährige Saarbrücker, ehemaliger Büroarbeiter, ist seit Anfang des Jahres arbeitslos: „Aber ich fühle mich nicht alt genug, um nur noch daheim rumzusitzen.“
„Besondere Motivation“
Er suchte zu diesem Zeitpunkt eine ehrenamtliche Aufgabe – und fand sie bei Laubach. „Ich wusste, das ist was für mich“. Tote zu bestatten sei ein Werk der Barmherzigkeit. Vor vielen Jahren hatte er einmal erlebt, dass eine noch ortsfremde zugezogene Familie ihr Kind fast hätte quasi allein beerdigen müssen – hätte es nicht Thau und viele weitere Menschen gegeben, die davon erfahren hatten und deshalb bei der Beerdigung mitgingen.
Laubach hat die Erfahrung gemacht, dass jeder Ehrenamtliche eine „besondere Motivation“ mitbringt, wie er es ausdrückt. Ein anderer Freiwilliger, berichtet er, sei als Kind als Messdiener bei einer Beerdigung dabei gewesen, wo es keine Trauergäste gegeben habe. Eine schlimme und prägende Erfahrung.
Thau und die anderen sechs Mitstreiter (eine Frau kommt sogar aus Völklingen) hatten kürzlich ihren ersten Einsatz. Ein 54-Jähriger fand in einem Waldgrab auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof seine letzte Ruhestätte. Außer den Geburts- und Todesdaten wussten die Freiwilligen kaum etwas über den Mann, der da zu Grabe getragen wurde. Kann man um einen wildfremden Menschen trauern? „Ja“, sagt Thau, „ich kann das“. Er sieht seine Aufgabe darin, „einfach nur da zu sein“, als „stummer Zeuge“.